Donnerstag, 4. September 2008

Das besondere Jagdausübungsrecht eines Hausbesitzers

1. Einleitung

Das deutsche Jagdrecht enthält einige Regelungen, für manche vielleicht überraschend sind. Dazu zählt auch das besondere Jagdausübungsrecht, das fast alle Landesjagdgesetze (Ausnahme: Berlin) in unterschiedlicher Ausprägung einem Hauseigentümer oder -mieter zubilligen, auch wenn dieser nicht Inhaber eines Jagdscheines ist.

Die bundesrechtliche Grundlage dafür stellt § 6 Satz 1 u. 2 des Bundesjagdgesetzes dar: "Auf Grundflächen, die zu keinem Jagdbezirk gehören, und in befriedeten Bezirken ruht die Jagd. Eine beschränkte Ausübung der Jagd kann gestattet werden."

Was genau ein befriedeter Bezirk ist, ergibt sich wiederum aus den Landesjagdgesetzen. Neben anderen sind dies in der Regel:
- Gebäude, die dem Aufenthalt von Menschen dienen und Gebäude, die damit unmittelbar zusammenhängen und
- Hofräume und Hausgärten, die unmittelbar an ein für den ständigen Aufenthalt von Menschen bestimmtes Wohngebäude anstoßen und durch eine Umfriedung begrenzt sind.
Damit zählen die üblichen Eigenheime samt ihrer eingefriedeten Grundstücke zu den jagdrechtlich befriedeten Bezirken, in denen die Jagd in der Regel ruht. Ein "befriedeter Bezirk" ist allerdings nicht identisch mit dem "befriedeten Besitztum", das aus dem WaffG und anderen Gesetzen bekannt ist; der befriedete Bezirk im jagdrechtlichen Sinn wird oftmals erheblich größer sein.

Da das Jagdrecht untrennbar mit dem Eigentum an Grund und Boden verbunden ist (§ 3 I BJagdG), kann es unter den Voraussetzungen des § 6 S. 2 BJagdG wieder aufleben. Diese Norm eröffnet den Landesgesetzgebern die Möglichkeit, auch in befriedeten Bezirken die Jagdausübung zu gestatten. Davon haben 15 Länder auch insofern Gebrauch gemacht, als in ihren Landesjagdgesetzen den Eigentümern oder Nutzungsberechtigten eines befriedeten Bezirks - dazu zählen i.d.R. Eigentümer, Mieter und Pächter von Grundstücken - eine begrenzte Jagdausübung, z.T. auch ohne Jagdschein, ermöglicht wird. Betroffen sind davon hauptsächlich solche Tierarten, die zum Raubwild zählen.
Dabei lassen sich drei Typen unterscheiden:
- gesetzliche Allgemeingenehmigung (Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen);
- Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, d.h. grundsätzliche Genehmigungspflicht (Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Rheinland-Pfalz);
- Totalverbot (Berlin).

Trotzdem läßt sich auch im Rahmen dieser drei Kategorien eine beachtliche Bandbreite unterschiedlicher Regelungen feststellen. Hier hat sich die deutsche Bundesstaatlichkeit mit ihren regionalen Unterschieden auch unter der früher noch möglichen Rahmengesetzgebung des Bundes (alter Art. 75 GG) deutlich ausgeprägt.
Nachfolgend sollen die hier interessierenden 15 Bestimmungen vorgestellt werden.

2. Baden-Württemberg

§ 3 IV LJagdG BW bestimmt:
"Die untere Jagdbehörde kann, unbeschadet der Befugnisse des Jagdausübungsberechtigten nach § 18 [LJagdG BW], Eigentümern oder Nutzungsberechtigten von Grundflächen, auf denen die Jagd ruht, die Ausübung der Jagd auf Wildkaninchen, Füchse und Steinmarder und die Aneignung der gefangenen oder erlegten Tiere für eine bestimmte Zeit auch ohne Jagdschein genehmigen, wenn der Empfänger der Genehmigung im Falle einer Beschränkung auf die Fangjagd über einen Sachkundenachweis nach § 22 [LJagdG BW] verfügt und bei Einbeziehung einer Jagdausübung mit Schusswaffen nach § 17 Abs. 1 Nr. 4 des Bundesjagdgesetzes ausreichend versichert ist. Die waffenrechtlichen Vorschriften bleiben unberührt."

Diese Regelung ist durchaus typisch. Es bedarf einer behördlichen Genehmigung, bei deren Erteilung der unteren Jagdbehörde Ermessen zusteht. Ein Jagdschein ist aber nicht erforderlich. Die Befugnis zur Jagd beschränkt sich auch nur auf wenige, konkret genannte Tierarten. Für die Jagd mittels Fallen wird ein Sachkundenachweis verlangt; für die Jagd mit Schußwaffen muß vom Antragsteller eine Haftpflichtversicherung gem. § 17 I Nr. 4 BJagdG nachgewiesen werden. Im letztgenannten Fall wird ferner klar gemacht, daß die Bestimmungen des Waffengesetzes – etwa das Erfordernis einer besonderen Schießerlaubnis (§ 10 V WaffG) – ebenfalls beachtet werden müssen.
(Vgl. auch G. Kümmerle / M. Nagel: Jagdrecht in Baden-Württemberg, 8. Aufl., Stuttgart 2000, S. 47 ff.)

3. Bayern

Einschlägig ist hier Art. 6 III BayJG:
"In befriedeten Bezirken kann die Jagdbehörde dem Eigentümer, dem Nutzungsberechtigten, dem Revierinhaber oder deren Beauftragten bestimmte Jagdhandlungen unter Beschränkung auf bestimmte Wildarten und auf eine bestimmte Zeit gestatten. Eines Jagdscheins bedarf es nicht. Jagdhandlungen mit der Schußwaffe dürfen dem Eigentümer, dem Nutzungsberechtigten oder einem Beauftragten nur gestattet werden, wenn diese im Besitz eines gültigen Jagdscheins oder für den Gebrauch von Schußwaffen im Sinn des § 17 Abs. 1 Nr. 4 des Bundesjagdgesetzes ausreichend versichert sind. Die waffenrechtlichen Vorschriften bleiben unberührt. Das Aneignungsrecht hat derjenige, dem oder dessen Beauftragten die Jagdhandlung gestattet wurde."

Diese Norm ähnelt der baden-württembergischen. Die behördliche Genehmigung kann sich aber auf bestimmte, zu benennende Wildarten und Jagdzeiten beschränken. Auch hier ist kein Jagdschein erforderlich. Für die Fangjagd wird kein Sachkundenachweis verlangt, jedoch dürfen Schußwaffen nur dann verwendet werden, wenn eine Jagdhaftpflichtversicherung vorhanden oder wenn der Antragsteller zugleich Inhaber eines Jagdscheins ist.

Ergänzend zu Art. 6 III BayJG bestimmt die Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Jagdgesetzes in ihrem § 1 I: "Die Gestattung nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 BayJG gilt als erteilt, wenn der Revierinhaber mit Zustimmung des Grundstückseigentümers oder Nutzungsberechtigten die Jagd auf Haarraubwild und Wildkaninchen mit Fanggeräten (§ 19 Abs. 1 Nr. 9 des Bundesjagdgesetzes - BJagdG -, Art. 29 Abs. 2 Nr. 2 BayJG) innerhalb der Jagdzeiten ausübt."
Der Revierinhaber bedarf also keiner vorherigen behördlichen Erlaubnis.

4. Brandenburg

In § 5 III BbgJagdG heißt es:
"In befriedeten Bezirken kann die untere Jagdbehörde dem Eigentümer, dem Nutzungsberechtigten, dem Jagdausübungsberechtigten eines angrenzenden Jagdbezirkes oder deren Beauftragtem bestimmte Jagdhandlungen unter Beschränkung auf bestimmte Wildarten und auf eine bestimmte Zeit gestatten. Antragsberechtigt ist der Grundeigentümer oder dessen Beauftragter. Jagdhandlungen mit der Schusswaffe dürfen dem Eigentümer, dem Nutzungsberechtigten oder einem Beauftragten nur gestattet werden, wenn diese im Besitz eines gültigen Jagdscheines oder für den Gebrauch von Schusswaffen im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 4 des Bundesjagdgesetzes ausreichend versichert sind. Die waffenrechtlichen Vorschriften bleiben unberührt. Den nach Satz 1 Jagdausübungsberechtigten wird die Erteilung dieser Erlaubnis mitgeteilt. Das Aneignungsrecht hat derjenige, dem oder dessen Beauftragtem die Jagdhandlung gestattet wurde."

Diese Bestimmung entspricht weitgehend der bayerischen Regelung, weshalb auf das oben gesagte verwiesen werden kann.

5. Bremen

Art. 7 III BremLJagdG bestimmt:
"In befriedeten Bezirken dürfen die Eigentümer und Nutzungsberechtigten sowie deren Beauftragte unter Beachtung der jagd- und tierschutzrechtlichen Vorschriften jederzeit Wildkaninchen fangen oder töten und sich aneignen. Für den Gebrauch von Schusswaffen ist eine Genehmigung erforderlich. Die Ausübung der Jagd mit Schusswaffen darf nur gestattet werden, wenn eine ausreichende Jagdhaftpflichtversicherung nachgewiesen ist."

Das ist die erste Form der Allgemeingenehmigung. In Bremen dürfen Hausbesitzer also jederzeit Wildkaninchen bejagen. Bei der Durchführung sind die jagd- und tierschutzrechtlichen Vorschriften zu beachten. Schußwaffen dürfen nur mit besonderer Genehmigung eingesetzt werden, wenn der Antragsteller entsprechend haftpflichtversichert ist (vgl. § 17 I Nr. 4 BJagdG).

6. Hamburg

Einschlägig ist hier § 2 II HambJagdG:
"Der Eigentümer oder Nutzungsberechtigte von befriedeten Bezirken darf Wildkaninchen und Steinmarder unter Beachtung der jagd-, tier- und naturschutzrechtlichen Vorschriften selbst oder durch Beauftragte fangen, töten und sich aneignen. Der Besitz eines Jagdscheines ist nur erforderlich bei der Verwendung von Fanggeräten. Wer Fanggeräte verwendet, hat den auf seinen Namen lautenden Jagdschein mit sich zu führen. Schusswaffen dürfen nur mit schriftlicher Genehmigung der zuständigen Behörde benutzt werden. Dieser Genehmigung bedarf es nicht, wenn eine Schießerlaubnis nach § 45 des Waffengesetzes in der Fassung vom 8. März 1976 […] erforderlich ist. Die Verwendung von Luftgewehren und Schalldämpfern ist verboten; die zuständige Behörde kann die Verwendung von Schalldämpfern ausnahmsweise genehmigen."

Auf den ersten Blick hat auch Hamburg eine Allgemeingenehmigung für die Jagd auf Wildkaninchen und Steinmarder. Diese trägt aber in der Praxis nicht allzuweit, denn zum einen ist für die Ausübung der Fangjagd ein Jagdschein erforderlich, zum anderen braucht man für den Einsatz von Schußwaffen entweder eine Schießerlaubnis gem. WaffG oder eine besondere Erlaubnis der Jagdbehörde. Die Verwendung von Luftgewehren ist verboten.

7. Hessen

In Hessen gilt insoweit § 5 III HessJagdG:
"Eigentümer und Nutzungsberechtigte von befriedeten Grundflächen sowie von ihnen Beauftragte dürfen dort Wildkaninchen und Beutegreifer fangen, töten und sich aneignen. Dies gilt nicht für Tiere, die besonders geschützt sind. Fanggeräte dürfen nur eingesetzt werden, wenn sie die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 [HessJagdG] erfüllen, und nur von Personen nach Satz 1, die an einem anerkannten Ausbildungslehrgang für die Fangjagd nach § 19 Abs. 2 [HessJagdG] teilgenommen haben. Dabei ist § 22 Abs. 4 des Bundesjagdgesetzes zu beachten."

Auch hier wird den Eigentümern und Nutzungsberechtigten eine Allgemeingenehmigung für die Jagd auf Wildkaninchen und nicht geschützte Beutegreifer erteilt, bei der allerdings die Jagd- und Schonzeiten zu beachten sind. Lediglich für den Einsatz von Fallen gelten besondere Regeln, so muß insbesondere ein entsprechender Ausbildungslehrgang absolviert worden sein.

8. Mecklenburg-Vorpommern

In § 5 LJagdG MV wird bestimmt:
"(3) Der Eigentümer oder Nutzungsberechtigte und die von ihm Beauftragten dürfen in befriedeten Bezirken Füchse, Steinmarder, Iltisse und Wildkaninchen innerhalb der Jagdzeit tierschutzgerecht fangen, töten und sich aneignen. Eines Jagdscheines bedarf es nicht. […] Die Jagdbehörde kann auf Antrag Ausnahmen zulassen. [...]
(5) Schusswaffen dürfen in befriedeten Bezirken nur mit Erlaubnis der Jagdbehörde verwendet werden. Die Erlaubnis darf nur Jagdscheininhabern erteilt werden."

Auch hier liegt im Abs. 3 eine Allgemeingenehmigung für die Jagd auf bestimmte Tierarten vor. Bei der Ausübung dieses Rechtes sind allerdings die Regeln des Tierschutzgesetzes sowie die Jagdzeiten in Mecklenburg-Vorpommern zu beachten. Gem. Abs. 5 dürfen dabei Schußwaffen nur von Jagdscheininhabern und nur mit besonderer Erlaubnis eingesetzt werden.

9. Niedersachsen

In § 9 V NJagdG heißt es:
"Eigentümerinnen, Eigentümer und Nutzungsberechtigte der Grundstücke eines befriedeten Bezirks dürfen in den Fällen der Absätze 1 und 2 [des § 9 NJagdG] Füchse, Marder, Iltisse, Hermeline, Waschbären, Marderhunde, Minke, Nutrias und Wildkaninchen fangen, töten und sich aneignen, soweit diese Befugnis nicht im Rahmen einer beschränkten Jagdausübung anderen zur Jagd befugten Personen übertragen ist. Die Verbote des § 19 des Bundesjagdgesetzes und die Bestimmungen des § 24 dieses Gesetzes sowie die jagdrechtlichen Vorschriften über die Setz- und Aufzuchtzeiten gelten entsprechend."

Auch in Niedersachsen gibt es eine Allgemeingenehmigung, die allerdings nicht gilt, wenn seitens der Jagdbehörde bereits eine Genehmigung zur beschränkten Jagdausübung im befriedeten Bezirk erteilt worden ist. Bei der Jagdausübung sind die Verbote in § 19 BJagdG und § 24 NJagdG sowie die Bestimmungen über Setz- und Aufzuchtzeiten (§ 22 IV BJagdG) zu beachten.

10. Nordrhein-Westfalen

In NRW gibt es sogar zwei Arten der einem Hausbesitzer möglichen Jagdausübung. Zunächst in § 4 III LJagdG NW die Möglichkeit zur Genehmigung jeglicher Jagdausübung:
"Die untere Jagdbehörde kann auf Grundflächen, die zu keinem Jagdbezirk gehören, und in befriedeten Bezirken Grundstückseigentümern und Nutzungsberechtigten sowie deren Beauftragten eine beschränkte Ausübung der Jagd allgemein oder im Einzelfall gestatten, auch wenn diese Personen keinen Jagdschein besitzen. Die Ausübung der Jagd mit Schusswaffen darf nur gestattet werden, wenn eine ausreichende Jagdhaftpflichtversicherung (§ 17 Abs. 1 Nr. 4 BJG) nachgewiesen ist."

In § 4 IV LJagdG NW folgt dann die bekannte Allgemeingenehmigung für die Jagd auf Wildkaninchen:
"In befriedeten Bezirken dürfen die Eigentümer und Nutzungsberechtigten sowie deren Beauftragte unter Beachtung der jagd- und tierschutzrechtlichen Vorschriften jederzeit Wildkaninchen fangen oder töten und sich aneignen. Für den Gebrauch von Schusswaffen ist eine Genehmigung nach [§ 4] Absatz 3 Satz 2 [LJagdG NW] erforderlich."

Hierbei sind keine Jagdzeiten vorgeschrieben, ansonsten wird allerdings die jagd- und tierschutzrechtlichen Vorschriften zu beachten. Der Einsatz von Schußwaffen bedarf einer vorherigen Genehmigung, für die eine Jagdhaftpflichtversicherung nachgewiesen werden muß.

11. Rheinland-Pfalz

Einschlägig ist hier § 4 LJagdG RP:
"(3) Den Eigentümern oder Nutzungsberechtigten von befriedeten Bezirken kann die untere Jagdbehörde in beschränktem Umfang das Fangen und Töten von Wild für eine Mehrzahl gleichartiger Fälle gestatten. Das Nähere regelt das fachlich zuständige Ministerium durch Rechtsverordnung.
(4) Schußwaffen dürfen in befriedeten Bezirken nur von Inhabern gültiger Jagdscheine und mit Erlaubnis der unteren Jagdbehörde verwendet werden. Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, insbesondere eine Gefährdung von Menschen zu befürchten ist. Die Erlaubnis ist widerruflich. § 22 Abs. 4 [LJagdG RP] bleibt unberührt."

Hier ist also eine vorherige Genehmigung der unteren Jagdbehörde erforderlich. Die Verwendung von Schußwaffen bedarf einer besonderen Erlaubnis, die nur Jagdscheininhabern erteilt werden darf.

12. Saarland

Auch das saarländische Recht kennt ein quasi zweiteiliges Jagdausübungsrecht des Grundstückseigentümers. Zunächst in § 4 III SJagdG die bekannte Allgemeingenehmigung:
"Der Eigentümer oder Nutzungsberechtigte von befriedeten Bezirken darf zur Abwendung von Schäden vorbehaltlich der Bestimmung des § 22 Abs. 4 Satz 1 des Bundesjagdgesetzes und des § 32 Abs. 1 Nummer 2 und 3 [SJagdG] jederzeit Haarraubwild, mit Ausnahme der ganzjährig geschonten Arten, und Wildkaninchen fangen oder töten und sich aneignen. Ein Jagdschein ist hierzu nicht erforderlich. § 22 [SJagdG] bleibt unberührt."

Wildkaninchen und nicht geschütztes Haarraubwild dürfen jederzeit, aber nur zur Abwendung von Schäden, bejagt werden. Dabei sind die Bestimmungen des § 32 I SJagdG sowie die Setz- und Brutzeiten (§ 22 IV BJagdG) zu beachten.

In § 4 IV SJagdG geht es sodann um weitere Formen der Jagdausübung:
"Die oberste Jagdbehörde kann in befriedeten Bezirken dem Eigentümer, dem Nutzungsberechtigten oder dem Jagdausübungsberechtigten bestimmte Jagdhandlungen unter Beschränkung auf bestimmtes Wild und auf eine bestimmte Zeit gestatten; insoweit ersetzt die Erlaubnis für den Eigentümer oder Nutzungsberechtigten den Jagdschein. Soweit Federwild betroffen ist, ist die Gestattung nur aus den in Artikel 9 Abs. 1 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten […] genannten Gründen und nach den in Artikel 9 Abs. 2 dieser Richtlinie genannten Maßgaben zulässig. Das Aneignungsrecht hat derjenige, welchem die Jagdhandlung gestattet wurde. § 22 [SJagdG] bleibt unberührt."

Hierfür ist zwar kein Jagdschein, wohl aber eine Genehmigung der obersten Jagdbehörde notwendig.

Die Verwendung von Schußwaffen wird danach in § 4 V SJagdG ausführlich geregelt:
"Schußwaffen dürfen in befriedeten Bezirken nur mit Erlaubnis der obersten Jagdbehörde verwendet werden; eine nach waffenrechtlichen Vorschriften notwendige Erlaubnis bleibt unberührt. Die Erlaubnis darf nur erteilt werden, wenn eine Störung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit oder Ordnung, insbesondere eine Gefährdung von Menschen, nicht zu befürchten und der Abschluß einer Haftpflichtversicherung im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 4 des Bundesjagdgesetzes nachgewiesen ist. Die Erlaubnis ist widerruflich; sie darf Personen, denen der Jagdschein nach § 17 Abs. 1 des Bundesjagdgesetzes versagt werden müßte, nicht erteilt werden. Ist der Gebrauch einer Schußwaffe zur unverzüglichen Tötung eines Wildes notwendig, um ihm erhebliche Schmerzen oder Leiden zu ersparen (Fangschuß), so bedarf ein Jagdausübungsberechtigter nicht der Erlaubnis nach Satz 1."

Sonach bedarf es auch für den Schußwaffeneinsatz (wie schon oben beim § 4 Abs. 4 SJagdG) einer ministeriellen Genehmigung, für die u.a. eine Jagdhaftpflichtversicherung nachgewiesen werden muß.

13. Sachsen

Der Freistaat Sachsen kennt gleichfalls ein zweigeteiltes Jagdausübungsrecht. Zunächst in § 6 III SächsLJagdG die Allgemeingenehmigung:
"Auf Grundflächen, auf denen die Jagd ruht, dürfen die Eigentümer oder Nutzungsberechtigten sowie die von ihnen Beauftragten Wildkaninchen, Füchse, Steinmarder, Iltisse, Hermeline und Dachse jederzeit fangen, töten und sich aneignen. Eines Jagdscheines bedarf es nicht. Anderes, als das in Satz 1 genannte Wild ist, wenn es lebensfähig in den Besitz des Grundstückeigentümers oder Nutzungsberechtigten kommt, im Jagdbezirk in Freiheit zu setzen. Verendetes oder nicht lebensfähiges Wild darf sich der Jagdausübungsberechtigte des zuständigen Jagdbezirkes aneignen."

Das ist eine der am weitesten gehenden Regelungen in Deutschland. Die genannten Tierarten dürfen jederzeit bejagt werden, ohne, daß dafür eine besondere Genehmigung, ein Jagdschein, ein Sachkundenachweis oder eine Versicherung erforderlich wäre.

Andere als die o.g. Tierarten dürfen gem. § 6 IV SächsLJagdG nur unter bestimmten Voraussetzungen bejagt werden:
"In befriedeten Bezirken kann die Jagdbehörde dem Eigentümer, dem Nutzungsberechtigten, dem Jagdbezirksinhaber oder deren Beauftragten bestimmte Jagdhandlungen unter Beschränkung auf bestimmte Wildarten und auf bestimmte Zeit gestatten. Eines Jagdscheines bedarf es nicht. Jagdhandlungen mit der Schusswaffe dürfen dem Eigentümer, dem Nutzungsberechtigten oder einem Beauftragten nur gestattet werden, wenn diese im Besitz eines gültigen Jagdscheines oder für den Gebrauch von Schusswaffen im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 4 des Bundesjagdgesetzes ausreichend versichert sind. Die waffenrechtlichen Vorschriften bleiben unberührt. Das Aneignungsrecht hat derjenige, dem oder dessen Beauftragten die Jagdhandlung gestattet wurde."

Hierfür ist eine behördliche Erlaubnis erforderlich. Bei Jagdhandlungen im Rahmen des Abs. 4 dürfen Schußwaffen nur dann verwendet werden, wenn der Antragsteller einen Jagdschein besitzt oder eine Jagdhaftpflichtversicherung nachweist. Es wird explizit darauf hingewiesen, daß durch diese Genehmigung eine lt. WaffG notwendige Schießerlaubnis nicht ersetzt wird.

14. Sachsen-Anhalt

Ebenfalls sehr weitgehend ist die Regelung in § 8 II LJagdG ST, die nur eine beschränkte Allgemeingenehmigung beinhaltet:
"Der Eigentümer oder Nutzungsberechtigte von befriedeten Bezirken darf unabhängig von jagdrechtlichen Beschränkungen Füchse, Steinmarder, Iltisse, Waschbären, Marderhunde, Minke und Kaninchen sowie Ringel- und Türkentauben fangen, töten und für sich behalten. Ein Jagdschein ist nicht erforderlich. § 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 des Tierschutzgesetzes bleibt unberührt."

Die Bejagung der genannten Tierarten darf also erfolgen, ohne daß dabei Beschränkungen des Bundes- oder Landesjagdgesetzes zu beachten wären. Ein Jagdschein ist nicht erforderlich. Es wird für die Ausübung der Jagd lediglich auf § 4 I TierSchG – der ohnehin immer gilt – verwiesen.
(Vgl. auch D. Meyer-Ravenstein: Jagdrecht in Sachsen-Anhalt [Hannover 1991, S. 24 f.], der diese Bestimmung als "Notstandsrecht", nicht jedoch als "eigentliche Jagdausübung" charakterisiert.)

15. Schleswig-Holstein

§ 4 III LJagdG SH bestimmt:
"Eigentümerinnen oder Eigentümer oder Nutzungsberechtigte von befriedeten Bezirken und deren Beauftragte dürfen dort zur Schadensabwehr Füchse, Steinmarder und Wildkaninchen innerhalb der Jagdzeit tierschutzgerecht fangen, töten und sich aneignen. Eines Jagdscheines bedarf es hierzu nicht. Über die Zulassung von Ausnahmen zum tierschutzgerechten Fangen, Töten und Sichaneignen weiterer Wildarten mit Ausnahme der ganzjährig geschonten entscheidet die Jagdbehörde. Waffenrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt. Im übrigen gilt § 28 [LJagdG SH] entsprechend."

Auch hier liegt eine Allgemeingenehmigung vor. Allerdings darf die Bejagung der genannten Tierarten nur innerhalb der Jagdzeit und nur zum Zweck der Abwehr von Schäden, die von diesen Tieren ausgehen, vorgenommen werden. Auch hier wird auf die ohnehin geltenden Vorschriften des TierSchG sowie auf das evtl. Erfordernis einer Schießerlaubnis gem. WaffG hingewiesen.

16. Thüringen

In § 6 LJagdG TH heißt es:
"(3) Die untere Jagdbehörde kann eine beschränkte Ausübung der Jagd in befriedeten Bezirken gestatten. Eigentümer oder Nutznießer von befriedeten Bezirken können unter Beachtung des Tierschutzgesetzes Haarraubwild und Kaninchen fangen, töten und sich aneignen. Eines Jagdscheines bedarf es dazu nicht.
(4) Jagdhandlungen mit der Schusswaffe dürfen dem Eigentümer, dem Nutzungsberechtigten oder deren Beauftragten nur gestattet werden, wenn diese im Besitz eines gültigen Jagdscheines sind. Die waffenrechtlichen Vorschriften bleiben unberührt. Das Aneignungsrecht steht dem Eigentümer oder Nutznießer zu."

In Abs. 3 Satz 2 ist wiederum eine Allgemeingenehmigung für die Jagd auf Haarraubwild und Kaninchen enthalten. Ein Jagdschein ist nicht erforderlich. Bei der Jagdausübung ist lediglich das TierSchG zu beachten. Gem. Abs. 4 bedarf der Einsatz von Schußwaffen aber einer Genehmigung, die nur Jagdscheininhabern erteilt werden darf.

17. Resümee

Bei der Ausübung dieser Rechte sind je nach Landesjagdgesetz unterschiedliche Rechtsvorschriften von Bedeutung.

In jedem Falle ist das Tierschutzgesetz - insbesondere dessen §§ 1, 4 I, 17, 18 - zu beachten. Soweit eine gesetzliche Allgemeingenehmigung oder eine behördliche Individualgenehmigung für diese Form der Jagdausübung vorliegt, existiert ein vernünftiger Grund für die Tötung eines Wirbeltiers. Oberster Grundsatz für deren Durchführung muß auch hier die Schmerzvermeidung sein. (Insoweit gilt sinngemäß das gleiche wie für die Schädlingsbekämpfung, so daß auf die dort gemachten Ausführungen verwiesen werden kann.)

Auch sind die Naturschutzgesetze zu befolgen, d.h. es dürfen keine geschützten Tiere erlegt werden. Die allgemein (d.h. direkt durch das Landesjagdgesetz) oder im Einzelfall (d.h. durch die Jagdbehörde) erteilte Jagdgenehmigung bezieht sich immer nur auf die darin erwähnten Tierarten.

In den Gesetzen Mecklenburg-Vorpommerns, Sachsen-Anhalts und Thüringens wird bezüglich der Jagdausübung explizit nur auf das Tierschutzgesetz hingewiesen; in Sachsen-Anhalt sogar mit dem Zusatz, daß die hier behandelte Form der Jagdausübung "unabhängig von jagdrechtlichen Beschränkungen" erfolge. Das heißt, die übrigen Gebote und Verbote des Bundes- und des Landesjagdgesetzes gelten insoweit nicht.
Anders ist die Rechtslage in den übrigen Ländern. Dort wird z.T. ausdrücklich die Beachtung des Jagdrechts gefordert oder sogar konkret auf einzelne Bestimmungen der Jagdgesetze verwiesen. Sofern dergleichen nicht der Fall ist, ergibt sich dieses Ergebnis aber implizit aus dem Befund, daß im Gesetzestext von "Jagdhandlungen" die Rede ist bzw. keine Ausnahme statuiert wird. Somit muß in diesen Ländern die Bejagung nicht nur tierschutzgerecht, sondern auch waidgerecht erfolgen. Ferner gelten hier auch die sachlichen Verbote, die in § 19 BJagdG und den entsprechenden Bestimmungen des jeweiligen Landesjagdgesetzes niedergelegt sind, sowie ggf. die Jagd- und Schonzeiten.

Ein Beispiel: Die Verwendung von Luftgewehren ist in Hamburg (§ 2 II HambJagdG) und Niedersachsen (§ 24 I 1 NJagdG) ausdrücklich verboten. Dieses Verbot ist unabhängig von der Frage, ob es einer besonderen Erlaubnis für den Schußwaffeneinsatz bedarf oder nicht. Und selbst dort, wo eine Verwendung von Luftgewehren prinzipiell möglich ist, sind selbstverständlich die Bestimmungen des Waffengesetzes (insbesondere § 12 IV 2 Nr. 1 lit. a) zu beachten.

Im übrigen ist für den Einsatz von Schußwaffen – mit Ausnahme der in § 12 IV 2 Nr. 1 u. 3 WaffG geregelten Fälle – eine zusätzliche Schießerlaubnis gem. § 10 V WaffG erforderlich, und zwar i.d.R. selbst dann, wenn es ohnehin einer vorherigen Genehmigung der Jagdbehörde bedarf. Eine solche Schießerlaubnis ist nur dann nicht notwendig, wenn der die Jagd im befriedeten Bezirk Ausübende zugleich Inhaber eines Jagdscheines ist, da hier die Regelung des § 13 VI 1 WaffG greift (Schießen zur befugten Jagdausübung durch Jäger). In diesem Fall ist der Jagdscheininhaber aber nach wie vor an § 20 I BJagdG gebunden.

Im Saarland und in Schleswig-Holstein wird diese Form der Jagd auch dadurch beschränkt, daß sie nur zum Zweck der Schadensabwehr erfolgen darf.
Darüber hinaus enthalten die meisten Landesjagdgesetze besondere Regeln für die Ausübung der Fangjagd. Weitere Beschränkungen oder Anforderungen ergeben sich aus dem (z.T. oben wiedergegebenen) Text des jeweiligen Landesjagdgesetzes.
(Vgl. ferner auch A. Lorz: Bundesjagdgesetz, 2. Aufl., München 1991, S. 30 ff.)

Die vorgestellten Bestimmungen weisen in ihrem Regelungsinhalt eine große Bandbreite auf. Manche Vorschriften kann man entstehungsgeschichtlich auf konkrete politische Konstellationen zurückführen. Das ist aber nicht überall der Fall. So hätte der Verf. z.B. in Nordrhein-Westfalen, wo früher die Grünen mitregiert haben, eine restriktivere Regelung erwartet, während in den CDU-/CSU-Hochburgen Baden-Württemberg und Bayern unerwartet strenge Regeln gelten.

Diese kurze Abhandlung hatte das Ziel, einige weitgehend unbekannte Bestimmungen des deutschen Jagdrechts vorzustellen und die verbreitete Auffassung, daß es zur Jagdausübung immer und überall unbedingt eines Jagdscheines bedürfe, zu korrigieren.


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