Donnerstag, 9. Juli 2009

Der Kampf um den Rechtsstaat


Die heftigen Attacken, die in den letzten Monaten auf die deutschen Legalwaffenbesitzer niedergegangen sind, waren kein Zufall. Sie lassen sich auch nicht allein aus dem Vordringen waffenfeindlicher Meinungen in Medien und Politik erklären. Vielmehr zeugen sie von der bedenklichen Entwicklung, daß der Rechtsstaat in Deutschland immer stärker in die Defensive gedrängt wird. Wolfgang Schäubles umfassende Überwachungspläne ("Stasi 2.0"), die Zensurabsichten seiner Kabinettskollegin Ursula von der Leyen, das Vorgehen gegen Raucher, "Kampfhunde"-Besitzer, "Klimasünder" und andere "Volksschädlinge" - all dies weist in dieselbe, bedenkliche Richtung. (Vermeintliche) Minderheiten werden majorisiert, um endlich einen Zustand irdischer Glückseligkeit herbeizuführen - oder um zumindest der aufgepeitschten Öffentlichkeit eine "Verbesserung" zu suggerieren. Die Freiheitsrechte der Betroffenen werden dabei oft konsequent ignoriert oder die Politik versucht, sie durch Drohungen einzuschüchtern, wenn etwa Gegner von "Zensursula" mit Pädokriminellen gleichgesetzt werden.

Einer der penetrantesten Gegner der Bürgerrechte ist Holger Hövelmann, früher SED-Mitglied und angehender Politoffizier der NVA, jetzt - "demokratisch" gewendet - SPD-Landeschef und Innenminister von Sachsen-Anhalt. Dem Verfasser dieses Beitrags hat Hövelmann vor kurzem erst das Petitionsrecht abgesprochen (vgl. hier). Dennoch konzentriert sich dieser wackere "Jenosse" derzeit auf ein anderes Politikfeld, bei dem - schon wegen der Brisanz - kaum Widerstand gegen seine rechtsstaatswidrige Politik zu erwarten ist: den Kampf gegen den Rechtsextremismus (oder das, was er dafür hält). Hövelmann ist immerhin Herr über ca. 8.000 bewaffnete Landesbeamte. Diese Macht ist ihm offenbar zu Kopf gestiegen, denn er führt sich zunehmend wie ein Westentaschendiktator auf, der über dem Recht steht. Ich will diese gefährliche Entwicklung nachfolgend anhand von drei Fällen illustrieren.

Fall 1: Im Frühjahr 2008 wurde - auf Betreiben des Innenministeriums hin - einem Bezirksschornsteinfeger aus dem südlichen Sachsen-Anhalt die Lizenz entzogen. Sein Vergehen bestand lediglich darin, daß er für die NPD im Kreistag saß. An der Rechtmäßigkeit dieser behördlichen Maßnahme bestanden von Anfang an erhebliche Zweifel, dennoch wurde sie durchgezogen. Wie nicht anders zu erwarten war, siegte der Schornsteinfeger vor Gericht bisher in zwei Instanzen, zuletzt vor dem OVG Magdeburg (ein hochinteressantes und - wegen des politischen Drucks - mutiges Urteil, welches man in der LKV 4/2009 nachlesen kann). Als Reaktion auf diese Gerichtsentscheidungen hatte Hövelmanns Staatssekretär Rüdiger Erben nichts eiligeres zu tun, als die Justiz einer heftigen Schelte zu unterziehen.

Bemerkenswert ist an diesem Fall zweierlei: Erstens wurde eine hoheitliche Maßnahme durchgeführt, von der die zuständige Behörde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weiß, daß sie rechtswidrig ist und deshalb einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhält. Und das, obwohl die öffentliche Verwaltung an Recht und Gesetz im allgemeinen (Art. 20 III GG) und an die Grundrechte im besonderen (Art. 1 III GG) gebunden ist.
Zweitens sollte man die Reaktion des Innenministeriums beachten. Nachdem der Bürger, der Opfer derart rechtswidrigen Behördenhandelns geworden ist, sich dagegen vor Gericht gewehrt und Recht bekommen hat, drischt die Exekutive öffentlich auf die - unabhängige! - Justiz ein. D.h. das Magdeburger Innenministerium sieht sich selbst als eine Art Metarichter! Von dieser Selbstwahrnehmung bis zur "Korrektur" justizieller "Fehlentscheidungen" (wie sie in der NS-Zeit durch die Gestapo praktiziert wurde) ist es dann nur noch ein kleiner Schritt.

Der zweite Fall, der sich im Herbst 2007 in Bernburg zugetragen hat, ging damals kurz durch die Presse. Leider konnte ich bei meinen Recherchen dazu nur einen Bericht finden, der allerdings auf einer NPD-Webseite steht und den ich deshalb - auch um evtl. Unterstellungen vorzubeugen - hier nicht zitieren oder verlinken werde.
Damals war Hövelmann bei einem Besuch in der Stadt auf eine Handvoll Demonstranten aus der NPD getroffen, die von ihm die Respektierung ihres Grundrechts auf Versammlungsfreiheit gefordert haben. (Hintergrund: Demonstrationen dieser Szene werden regelmäßig von den Behörden verboten, wogegen sich die Betroffenen ebenso regelmäßig vor Gericht zur Wehr setzen. Oftmals mit Erfolg.) Dabei hat sich der Innenminister zu dem "Gegenargument" verstiegen, die Betreffenden seien Neonazis und könnten sich schon deshalb nicht auf den durch die Grundrechte gewährten Schutz berufen.

Eine bemerkenswerte Äußerung aus dem Mund eines deutschen Innenministers! Laut Art. 1 III GG können es sich die Behörden nicht aussuchen, ob sie die Grundrechte eines Bürgers achten wollen oder nicht; sie sind dazu verpflichtet! Verstehen kann man dies wohl nur dann, wenn man Hövelmanns Vergangenheit als SED-Politruk berücksichtigt. Der Mann ist offenkundig im Grunde seines Herzens immer noch der DDR-typischen Rechtsauffassung, daß Grundrechte nur für politisch opportune, "fortschrittliche" Personen gelten, während "feindlich-negative Elemente" rechtlos gestellt sind und von der Exekutive nach Belieben bekämpft werden dürfen.

Fall 3 ist hingegen noch ganz frisch aus dem Juni 2009. Die Presseberichterstattung dazu wirft ein bezeichnendes Licht auf das Klima, das in Sachsen-Anhalt mittlerweile herrscht:
"[...]

Die Grenzen der Legalität

[...]

Vor zwei Jahren sorgte der Magdeburger Polizeipräsident Johann Lottmann mit einem Schreiben an alle Beamten der Direktion Nord für Furore. Nach rechtsextremen Gewalttaten forderte Lottmann seine Beamten auf, "bis an die Grenze des rechtlich gerade noch Vertretbaren" zu gehen. Es ist ein Satz, an den Mario Lehmann dieser Tage oft denken muss. Denn Lehmann, bisher Leiter der Polizeistation in Ballenstedt (Harzkreis), beklagt, dass es gerade beim Kampf gegen Rechts an Lottmanns Unterstützung mangele.

[...]"
Als ich den eben zitierten Artikel erstmals gelesen hatte, mußte ich unwillkürlich an Satz eines meiner akademischen Lehrer denken: "Wenn Politiker davon reden, daß sie sich in einer rechtlichen Grauzone bewegen würden, dann stehen sie meist mit beiden Beinen auf dem festen Boden der Illegalität."
Und so liest sich auch die erwähnte Aufforderung des Polizeipräsidenten zum "Austesten" der Grenzen der Legalität, die bei einigen Beamten offenbar deutliche Spuren hinterlassen und zu einem Abbau der inneren Reserve gegenüber Rechtsverletzungen geführt hat, sofern sie nur dem politisch gewünschten Zweck (hier: Kampf gegen den Rechtsextremismus) dienen. Damit hat sich Hövelmanns Rechtsnihilismus auch auf die unteren Chargen der sachsen-anhaltischen Landespolizei übertragen.

Und was tut die "unabhängige" und "kritische" Presse? Anstatt diese Fehlentwicklungen, die bereits jetzt zu einer Aushöhlung des Rechtsstaates geführt haben, zu kritisieren, wird eifrig Beifall geklatscht.

Bei meiner Kritik geht es - um allfälligen Verdächtigungen sofort den Wind aus den Segeln zu nehmen - nicht um Sympathie für Neonazis! Keineswegs! Diese Figuren sind mir persönlich herzlich zuwider.

Es geht vielmehr darum, daß Hövelmann den Verfassungskonsens der Bundesrepublik Deutschland aufgekündigt hat. Dieser Konsens besagt, daß die Grundrechte für alle Bürger gelten (Art. 1 GG) und daß niemand wegen seiner politischen Anschauungen vom Staat benachteiligt werden darf (Art. 3 III 1 GG). Über eventuelle Ausnahmen von dieser Regel hat nicht irgendein Minister, sondern ausschließlich das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden (Art. 18 GG).
Es gehört zum guten Stil eines demokratischen Rechtsstaates, für die Grundrechte und die Freiheit aller Mitbürger einzutreten, auch zugunsten seiner politischen Gegner. Rechtsstaatlichkeit heißt in einer Demokratie vor allem Minderheitenschutz.
Auf keinen Fall darf eine Entwicklung hingenommen werden, die den Geltungsanspruch der Grundrechte zugunsten rein politisch-ideologisch motivierter Opportunitätsüberlegungen infragestellt. Denn dann wäre man vollends in einen totalitären Maßnahmestaat eingetreten, wovon wir Deutschen im 20. Jahrhundert schon zwei Stück hatten. Wenn der Respekt vor den Bürgerrechten (und den zu ihrem Schutz berufenen Richtern) verloren geht, dann droht die Aufgabe der Errungenschaften von zweieinhalb Jahrhunderten abendländischer Rechtsgeschichte.

So, wie sich derzeit der "Kampf gegen Rechts" allgemeiner Beliebtheit erfreut und die Zustimmung der Öffentlichkeit zu rechtswidrigen Maßnahmen des Staates selbige mit einer "höheren Weihe" zu versehen scheint, so könnten in nicht allzuferner Zukunft auch andere soziale Gruppen zum Opfer ähnlich gearteter - nennen wir es deutlich beim Namen - Unterdrückungsmaßnahmen werden. Bezüglich der Legalwaffenbesitzer wurden in den vergangenen Monaten reichlich Vorschläge unterbreitet, die genau in diese Richtung gingen. Und in einer öffentlichen Verwaltung, deren Rechtsbewußtsein in einem Ausmaß ausgehöhlt ist, wie ich es in diesem Artikel beschrieben habe, dürfte sich kaum nennenswerter Widerstand dagegen regen. Die Medien werden - wie bereits geschehen - nichts eiligeres zu tun haben als zu applaudieren.

Apropos Waffenrecht: Insofern spielt sich Hövelmann gern als Scharfmacher auf. Anfang 2008, als es um die Schaffung des jetzigen § 42a WaffG ging, hat er sich wie folgt ausgelassen:
"[...]

Innenminister Holger Hövelmann (SPD) hat an den Bundestag appelliert, nicht nur das Führen täuschend echt aussehender Nachbildungen von Schusswaffen zu verbieten, sondern auch den Handel damit. "Sonst bleibt das Verbot halbherzig", sagte er gestern.

[...]"
Sachgerechte und bürgerrechtsfreundliche Politik ist von einem so bornierten Politiker mit verfassungsfeindlichen Tendenzen wie Hövelmann nicht zu erwarten. Er ist und bleibt der Politruk, der er in seiner Jugend war.


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Foto: www.mz-web.de.

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