Montag, 29. März 2010

Über die Sinnhaftigkeit von Verfassungsbeschwerden gegen das WaffG


Seit Mitte Februar ist bekannt, daß die Fördervereinigung Legaler Waffenbesitz eine Verfassungsbeschwerde gegen die im vergangenen Jahr erfolgte Verschärfung des Waffengesetzes vorbereiten. Die Beschwerde (§§ 90 ff. BVerfGG) soll sich gegen die Regelung der unangekündigten Aufbewahrungskontrollen im 2009 neu gefaßten § 36 III Satz 2 WaffG richten:
"Wer erlaubnispflichtige Schusswaffen, Munition oder verbotene Waffen besitzt oder die Erteilung einer Erlaubnis zum Besitz beantragt hat, hat der zuständigen Behörde die zur sicheren Aufbewahrung getroffenen oder vorgesehenen Maßnahmen nachzuweisen.
Besitzer von erlaubnispflichtigen Schusswaffen, Munition oder verbotenen Waffen haben außerdem der Behörde zur Überprüfung der Pflichten aus den Absätzen 1 und 2 Zutritt zu den Räumen zu gestatten, in denen die Waffen und die Munition aufbewahrt werden.
Wohnräume dürfen gegen den Willen des Inhabers nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit betreten werden; das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt."
Diese neue Bestimmung ist in der Tat schwierig und bewegt sich an der Grenze des verfassungsrechtlich zulässigen. Es überschreitet diese Grenze aber nicht. Zu den damit verbundenen Rechtsfragen hat Joachim Streitberger in diesem Text (dessen Lektüre ich dringend empfehle, ebenso wie dieses Interview) bereits das nötige gesagt. Insoweit gehe ich mit ihm konform, auch wenn manche seiner zu Beginn gemachten Ausführungen etwas seltsam anmuten. An dieser Stelle soll es jedoch weniger um die politischen als vielmehr um die juristischen Aspekte gehen.

Streitberger hat Recht, wenn er darauf hinweist, daß der Gesetzgeber mit der Änderung von § 36 III WaffG verfassungswidrige Absichten verfolgt hat, nämlich die von der Bestimmung betroffenen Legalwaffenbesitzer mit der Drohung des WBK-Entzuges zu einem Grundrechtsverzicht zu bewegen. Dies steht jedoch so nicht im Gesetzestext! Wer unter Berufung auf Art. 13 I GG die Kontrolle verweigert, nimmt lediglich sein Grundrecht wahr, woraus ihm kein Nachteil entstehen darf, denn die in § 36 III 3 WaffG normierte Einschränkung von Art. 13 GG bezieht sich nach wie vor nur auf den Ausnahmefall einer bestehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit.
(Zur Frage des Grundrechtsverzichts hatte ich hier schon etwas geschrieben; vgl. außerdem Deutsches Rechtslexikon, Bd. 2, 2. Aufl., München 1992, S. 316 f.)

Der von der Politik intendierte Zwang zum Grundrechtsverzicht ist somit unzulässig. Gleichwohl läßt sich dies nicht direkt dem Normtext von § 36 III 2 WaffG entnehmen. Deshalb gebe ich – ebenso wie Streitberger – einer Verfassungsbeschwerde gegen diese Bestimmung nur geringe Erfolgsaussichten. Denn die das WaffG ausführenden Behörden sind nicht gezwungen, die Kontrollen in einer verfassungswidrigen Art und Weise durchzuführen, etwa, indem sie bei der Berufung auf Art. 13 GG per se Unzuverlässigkeit (§ 5 I Nr. 2 WaffG) unterstellen. Im Gegenteil, die Behörden sind zur verfassungskonformen Auslegung und Anwendung der Gesetze, insbesondere zur Beachtung der Grundrechte, verpflichtet (Art. 1 III GG).

Somit ergeben sich m.E. hinreichende Einwirkungsmöglichkeiten des einzelnen betroffenen Waffenbesitzers auf seine Behörde. Bei Streitigkeiten ist insoweit zuvörderst der Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten. Und ich sehe, ehrlich gesagt, nicht, weshalb dieser Weg nicht möglich oder gar unzumutbar sein sollte. Nur weil sich viele WBK-Inhaber – zu Recht! – durch diese Kontrollen (und vor allem die Art und Weise ihrer Durchführung) beeinträchtigt und belästigt fühlen, ist § 36 III 2 WaffG selbst noch nicht verfassungswidrig. Dies wird übrigens auch von der FVLW eingeräumt, denn sie hat verlaubart, daß man dort „eine Klageannahme für möglich“ hält. Große Zuversicht sieht anders aus.

Selbst wenn dies hart klingen mag, aber ich kann in der geplanten Verfassungsbeschwerde gegen § 36 nicht mehr sehen als einen „Blitzableiter“ für frustrierte LWBs. Weshalb soll jetzt Zeit, Kraft und Geld in ein nahezu aussichtsloses Unterfangen gesteckt werden, während die von mir bereits im November 2009 aufgezeigte Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen die jüngste WaffG-Änderung vermutlich ungenutzt bleiben wird? Dabei ist dort, nämlich bei den Altersgrenzen in WaffG, die Verfassungswidrigkeit der neuen Gesetzeslage evident – womit (nicht nur meiner Meinung nach) erhebliche Erfolgsaussichten bestehen.

Bedauerlicherweise wird dies aber wohl von manchen Legalwaffenbesitzern nicht verstanden und ihre geschundene Seele verlangt um jeden Preis nach einem Urteil aus Karlsruhe. Dabei wird allerdings übersehen, daß im April 2003 ein hektisch vorgetragener Versuch, das Bundesverfassungsgericht zu einer positiven Entscheidung für den privaten Waffenbesitz zu bewegen, gescheitert ist (vgl. hier). Den damals klagenden Verbänden hat diese Kammerentscheidung zwar indirekt genützt, denn sie wurden in der Folge vom BVA anerkannt, doch die Entscheidungsbegründung, die teilweise wortlautidentisch mit der amtlichen Gesetzesbegründung aus dem BMI zu sein scheint, war keine Sternstunde des deutschen Grundrechtsschutzes.

Und ich befürchte, daß bei der geplanten Verfassungsbeschwerde gegen § 36 III WaffG eine ähnliche Niederlage droht. Das ist jedoch unbedingt zu vermeiden, denn schon im Frühjahr und Sommer 2009 wurden in der politischen Debatte Positionen vorgetragen, die nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, ohne auf entschiedenen Widerspruch in Parlamenten und Medien zu stoßen. Diese könnten eine (aus unserer Sicht) negative Entscheidung des BVerfG als Bestätigung auffassen und fröhlich weitermachen. Das Echo in der veröffentlichten Meinung auf die mögliche Abweisung der Klage wäre fatal, denn Tagesschau & Co. (die seit Jahren durch eine undifferenzierte und tendenziöse Berichterstattung auffallen) würden nur mehr schreiben: „Verschärfung des Waffenrechts war verfassungsgemäß“, ohne sich mit juristischen Details abzugeben. Eine solche Entwicklung ist aus Gründen der politischen Vernunft unbedingt zu vermeiden.

Zumindest bei Pro Legal scheint man meine Skepsis zu teilen, will doch dieser Verein vor seiner evtl. Beteiligung an der Klage „die Erfolgsaussichten einer solchen Beschwerde, die möglichen politischen Konsequenzen einer Ablehnung und die Prüfung der Durchführbarkeit eines solchen Verfahrens“ prüfen. Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich halte es für richtig, mit allen zulässigen politischen und juristischen Mitteln gegen die Verschärfungen des WaffR zu kämpfen. Doch die Nachschau gem. § 36 III WaffG ist dafür der falsche Ansatzpunkt.

Sollte es, auf welchem Weg auch immer, zu einer Verfassungsbeschwerde kommen, so muß das Minimalziel darin bestehen, das BVerfG zu einem Bekenntnis zu den Grundrechten der deutschen Waffenbesitzer zu bewegen – und zwar unabhängig vom Ausgang des konkreten Verfahrens. Nur weil es sich bei Waffen um „gefährliche Gegenstände“ handelt, sind die Bürger, welche sie legal besitzen, nicht vogelfrei und müssen nicht jede Laune des Gesetzgebers hinnehmen.
Wünschenswert wäre zudem ein Bekenntnis zur Rationalität der Gesetzgebung und zur Normenklarheit. An letzterer mangelt es dem WaffG mehrfach (z.B. in § 42a III), doch das Gericht hat an diesem Kriterium zuletzt die Vorratsdatenspeicherung scheitern lassen. Warum sollte eine ähnliche Entscheidung hinsichtlich § 42a WaffG unmöglich sein? Doch leider dürfte es aus Fristgründen kaum mehr möglich sein, gegen diese Norm direkt vorzugehen.


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