Montag, 26. April 2010

Einige Bemerkungen zur Nachschau gem. § 36 WaffG


In den letzten Tagen waren in waffenbezogenen Diskussionsforen verschiedene Beiträge zu lesen, deren Tenor dahin ging, daß die Kontrollen der sicheren Aufbewahrung (§ 36 III WaffG) rechtlich nicht zu beanstanden seien. Dem muß ich deutlich widersprechen. § 36 III 2 WaffG selbst ist m.E. zwar nicht verfassungswidrig; die Art und Weise, wie mancherorts die Kontrollen durchgeführt werden, ist jedoch rechtswidrig und muß mit den Mitteln des Rechtsstaates bekämpft werden.

1. Der häufige Verweis etwa auf § 1 III des Schornsteinfegergesetzes hilft bei der Klärung der waffenrechtlichen Frage nicht weiter, denn dort ist das Grundrecht aus Art. 13 I GG explizit eingeschränkt worden. In § 36 III 3 WaffG findet sich eine derartige Einschränkung nur für solche Kontrollen, die der Abwendung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit dienen. Die „normale“ Nachschau, deren Regelung in Satz 2 enthalten ist, ist damit nicht gemeint!

2. Die von manchem Politiker und Beamten geäußerte Vorstellung, die Verweigerung der Nachschau begründe den Verlust der Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) oder biete gar den Anlaß für eine förmliche Hausdurchsuchung, ist absurd. Damit wird zwar deutlich, wieweit totalitäres Polizeistaatsdenken in Deutschland schon wieder salonfähig geworden ist. Doch nach wie vor gilt: Wer von seinen Grundrechten in zulässiger Weise Gebrauch macht, darf deswegen nicht mit behördlichen Druck- und Strafmaßnahmen überzogen werden! Ein Grundrechtsverzicht darf nicht erzwungen werden! Wenn der Gesetzgeber ein Grundrecht einschränken will, dann muß er diese Absicht in Form einer Rechtsnorm kundtun (vgl. Art. 19 I 2 GG) und darf dies nicht der behördlichen Willkür überlassen.

3. Gelegentlich wird auch darauf abgehoben, daß es sich bei Waffen ja um inhärent „gefährliche Gegenstände“ handele, weshalb – analog etwa zu § 52 II BImSchG – eine behördliche Betretungsbefugnis unbedingt notwenig sei. Dieser Auffassung ist entschieden zu widersprechen. Im Gegensatz zu technischen Anlagen, in denen u.U. komplexe Prozesse ablaufen, welche vom Betreiber nicht mehr zu steuern sind, sind Waffen einfache technische Geräte. Sie gehen weder von alleine los noch gehen sie von selbst „auf Wanderschaft“. Sie hängen vollständig von dem Menschen ab, der sie bedient. Für einen irrationalen, mystifizierenden Waffenbegriff darf in einem Rechtsstaat kein Platz sein!

4. Schon unter dem bis 2009 geltenden § 36 III WaffG ist es mancherorts zu Auswüchsen gekommen, die schlicht rechtswidrig waren. So sind mir mehrere Fälle aus Nordrhein-Westfalen bekannt, bei denen Bürger, die erstmalig eine WBK beantragt haben, von uniformierten Polizeivollzugsbeamten zu Hause „besucht“ worden sind. In allen Fällen wurde diese Maßnahme mit der Kontrolle der sicheren Aufbewahrung begründet. Zumeist war also nach einer Inaugenscheinnahme des Waffenschrankes und ggf. seines Inhalts (gekorene LEP-Waffen) Schluß.
In zwei Fällen ging es jedoch danach im Wohmzimmer weiter, wo sich die Polizisten ohne Aufforderung niedergelassen hatten, um dem Bürger ein Gespräch aufzunötigen. Darin ging es dann nicht nur um allgemeines Geplänkel, wie die Frage, warum er eine WBK beantragen wolle. (BTW: Was geht das Wachtmeister Schulze an?) In einem Fall hat sich der Polizist sogar verplaudert, als er sagte, er wolle den Antragsteller und seine Lebensumstände näher kennenlernen. Schließlich müsse er gegenüber der Waffenbehörde ein Votum über die Zuverlässigkeit des Bürgers abgeben.
Dieses Vorgehen war von keiner Rechtsnorm gedeckt. Weder der damals geltende § 36 III WaffG noch § 5 WaffG noch das PolG-NRW bieten eine Rechtsgrundlage für derartige „präventive Hausbesuche“, deren erklärter Zweck darin besteht, im höchstpersönlichen Lebensbereich des Bürgers herumzuschnüffeln, um ihn und seine Lebensumstände besser kennenzulernen (wann hat er zuletzt Staub gewischt? wurde heute schon abgewaschen? hat er Aktbilder oder Schlachtengemälde an der Wand? usw.). Nicht einmal die puren (wenn man so will: vorsorglichen) Tresorkontrollen waren nach der damaligen Rechtslage zulässig, denn eine Nachschau durfte nur beim Vorliegen „begründeter Zweifel an der sicheren Aufbewahrung“ (§ 36 III 2 - alt) durchgeführt werden.
Mithin liegt ein Verstoß gegen das Grundrecht aus Art. 13 I GG vor.
Zudem denkt man ja gemeinhin, es wäre gut, wenn jemand nicht „polizeibekannt“ ist und hält dies für einen Ausweis von Rechtschaffenheit. In NRW sieht man dies offenbar anders. Leider war damals kein Betroffener bereit, dagegen zu protestieren, zu groß war die Furcht vor der vermeintlich allmächtigen Polizei. :-(

5. Zum Schluß noch eine Bemerkung zur lästigen Gebührenfrage, obwohl Joachim Streitberger hat dazu schon das Nötige gesagt hat (vgl. hier und hier).
Bisweilen wird von Waffengegnern in Politik und Verwaltung vorgetragen, daß schließlich die Legalwaffenbesitzer selbst den Anlaß für die Kontrollen bieten würden, indem sie eben erlaubnispflichtige Waffen besitzen. Deshalb sei es nur recht und billig, sie auch mit Gebühren zur Kasse zu bitten. Die Absurdität dieser Rechtsauffassung soll nachfolgend anhand einer Analogie mit dem Straßenverkehrsrecht aufgezeigt werden.
Auch die allgemeinen Verkehrskontrollen der Polizei erfolgen im öffentlichen Interesse. Würde man die soeben skizzierte Meinung hierauf übertragen, so müßten alle Verkehrsteilnehmer, die zufällig in eine Kontrolle geraten sind, dafür mit Gebühren belegt werden – unabhängig davon, ob sie tatsächlich gegen die StVO oder andere Vorschriften verstoßen haben oder nicht. Begründen könnte man dies damit, daß ja niemand gezwungen gewesen sei, mit einem Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen, weshalb der Autofahrer letztlich selbst den Anlaß für die Kontrolle gegeben habe.
Eine solche Rechtsauffassung wird wohl von niemandem vertreten, vielleicht mit Ausnahme bekennender Autohasser. Es steht somit zu erwarten, daß die angerufenen Gerichte die Gebührenbescheide kippen werden.

Fazit: Der Befund, daß § 36 III WaffG in der derzeit geltenden Form nicht verfassungswidrig ist, bedeutet nicht, daß es keine Rechtsprobleme rund um die Nachschau gebe. Im Gegenteil, die problematische Formulierung von § 36 III 2 generiert zusammen mit den Willenserklärungen des Gesetzgebers durchaus Probleme und Unklarheiten, die dringend der verwaltungsgerichtlichen Klärung bedürfen.


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