Dienstag, 21. September 2010

Ursachenforschung in Lörrach

Lörrach Alter Markt

Was soll man zu so einer komplexen Straftat wie dem Amoklauf von Lörrach sagen? Eine gebildete und gutsituierte Frau mittleren Alters erstickt zunächst ihren fünfjährigen Sohn, erschießt ihren Ex-Mann und weitere Personen, zündet ein Wohn- und Geschäftshaus an, welches in der Folge schwer beschädigt wird und ersticht schließlich einen Krankenpfleger, bevor ein mutiger Polizeibeamter sie endlich stoppen und ins Jenseits befördern kann.

Die Tat macht betroffen, denn sie paßt in keines der vermeintlich so vertrauten Schemata: Kein junger Mann, der vereinsamt und perspektivlos in eine virtuelle Computerspielrealität geflüchtet und dabei zum "Waffennarren" mutiert ist. Nein, eine Mutter, die ohne erkennbare Notlage zuerst ihr eigenes, wehrloses Kind tötet. Das ist der Teil des Geschehens, der wohl für alle Beobachter am schwersten zu verstehen sein dürfte. Alles andere könnte man vielleicht noch irgendwie rational erklären, aber das?

Jedem Betrachter, der sich um ein Minimum an Nüchternheit bemüht, ist klar, daß sich diese Untat jeder oberflächlichen, schematischen Betrachtung entzieht. Mit anderen Worten: Würden die Prognosen selbsternannter Experten wie Britta Brannenberg zutreffen, hätte es die Tat von Lörrach gar nicht geben dürfen. Eine Frau in dieser sozialen Position hätte, so die Theorie, niemals derart handeln dürfen. Und doch ist es so geschehen. Folglich sollte man mit voreiligen Bewertungen vorsichtig sein. Insbesondere die (schon wieder) reflexartig und ohne hinreichenden Bezug zum konkreten Geschehen erhobene Forderung nach einer weiteren Verschärfung des Waffenrechts ist unsinnig. Genau so gut könnte man über andere Faktoren spekulieren.

Etwa über die Frage, ob es ratsam ist, Frauen zum Jurastudium zuzulassen - sie könnten dadurch streitsüchtig werden. Oder darüber, ob Mütter nicht vom Staat dazu verpflichtet werden sollten, sich in den ersten zehn Lebensjahren ausschließlich um ihre Kinder zu kümmern. Es wird wohl niemand ernsthaft bestreiten wollen, daß diese Tat kaum stattgefunden hätte, wenn sich die Mutter um die traditionellen "drei K" gekümmert hätte, anstatt ihre berufliche Karriere zu verfolgen. Die Toten von Lörrach sind somit zuvörderst Opfer der Emanzipation.

Ich gebe zu, der letzte Absatz ist nicht ganz ernst gemeint. Doch zeigt er auf, wie vielfältig die möglichen Ursachen der Tat von Lörrach sind. Monokausale Vereinfachungen helfen in der Sache nicht weiter, zumal zwei der Opfer eben nicht erschossen, sondern mit anderen Mitteln und Methoden umgebracht worden sind. Trotzdem nehmen einige Medien schon wieder Zuflucht zu den - aus ihrer Sicht - bewährten Methoden der Stimmungsmache. (Nur mit dem kleinen Unterschied, daß diesmal die Nutzer von Computerspielen in Ruhe gelassen werden.) Davon sollten sich ernsthaft überlegende Mitbürger jedoch nicht verunsichern lassen. Es sei denn, man wäre bereit, ernsthaft über ein Verbot von Plastiktüten nachzudenken.


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