Samstag, 19. März 2011

Zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt


Am kommenden Sonntag steht hier in Sachsen-Anhalt die nächste Landtagswahl an. Oliver Weiß von pro Legal hat sich die Mühe gemacht, die großen Parteien auf ihre Positionen bezüglich des Waffenrechts anzusprechen. Die Antworten kann man hier nachlesen. Inhaltlich gibt es dabei kaum Unterschiede zu den Bundesparteien, was nicht weiter verwundert, fällt die Waffengesetzgebung doch ausschließlich in die Kompetenz des Bundes (Art. 73 I Nr. 12 GG). Der Magdeburger Landtag hat in waffenrechtlicher Hinsicht somit nichts zu beschließen.

Viel bedeutender ist die Rolle der Landesregierung. Sie, namentlich das Innenministerium, bestimmt über Fragen der Ausführung des WaffG durch die örtlichen Behörden. Sie könnte auch von im WaffG enthaltenen Ermächtigungen zum Erlaß einer Rechtsverordnung Gebrauch machen (vgl. § 42 V WaffG). Schließlich, und das ist am wichtigsten, stimmt die Landesregierung im Bundesrat über eventuelle Änderungen des Waffenrechts ab - und zwar nicht nur über das WaffG selbst, sondern auch über Rechtsverordnungen des BMI und über Verwaltungsvorschriften.
Die entscheidenden Fragen dieser Landtagswahl sind also: Welche Parteien werden die neue Landesregierung tragen? Und: Wer wird Innenminister?

Der bisherige Amtsinhaber Holger Hövelmann hat über Jahre höchst unglücklich agiert (um es zurückhaltend zu formulieren). Die Reihe der unbewältigten Skandale, die sein Haus und die unterstellten Behörden erschüttert haben, ist lang. Zudem hat er sich bezüglich des Waffenrechts als Einpeitscher erwiesen, der sogar in Spielzeugpistolen ernsthafte Bedrohungen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erblickt. Für mich ist deshalb klar: Hövelmann muß aus dem MdI ausziehen, egal wie die Wahl am Sonntag ausgeht. Die Chancen dafür stehen sehr gut, denn Hövelmann ist von seiner Partei schon "abgewatscht" worden und es ist nicht einmal sicher, ob er als einfacher Abgeordneter in den Landtag einziehen wird.

Weniger rosig sind die Aussichten auf seinen potentiellen Nachfolger Rüdiger Erben (SPD). Der ist seit Jahren Staatssekretär im MdI und gilt allgemein als harter Brocken, der weit links steht und keine Skrupel hat, ggf. sogar "lenkend" in die Arbeit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses einzugreifen.

Das nächste Problem heißt Große Koalition. Denn in der Vergangenheit hat sich erwiesen, daß die CDU zum Teil scharf gegen den privaten Waffenbesitz vorgeht. Dafür braucht es hier im Lande also weder die Grünen noch die Linkspartei. Und wenn man hört, daß der CDU-Spitzenkandidat (und derzeitige Wirtschaftsminister) Reiner Haseloff für eine Fortsetzung der (in vielerlei Hinsicht unseligen) Großen Koalition ist und sich explizit gegen ein "bürgerliches" Bündnis mit der FDP ausspricht, dann verstärken sich meine Zweifel an den Schwarzen weiter.

Die SPD wäre in jeder denkbaren Koalition nur der Juniorpartner. Bei der LT-Wahl 2006 haben die Sozis lediglich 21 % der Stimmen erhalten und stellen heute damit 24 Abgeordnete. In den jetzigen Umfragen bewegt sich die SPD - wie schon viele Jahre - in derselben Größenordnung.
Weitaus stärker ist die Linke (2006: 24 %, 26 Mandate); diese Partei ist auch in der Bevölkerung weitaus solider verankert als die SPD. Den Umfragen zufolge darf sie am Sonntag auf 28 % hoffen.
Die FDP hatte 2006 den Wiedereinzug in den Landtag geschafft, ist dabei aber von 13,3 auf 6,6 % abgestürzt (7 Mandate). Laut Umfragen wird es für die FDP auch jetzt wieder sehr eng werden (Stichwort: Fünf-Prozent-Hürde).
Die mit Abstand stärkste politische Kraft ist die CDU (2006: 36 %, 40 Mandate). Sie dürfte bei der Wahl verlieren und wird in den Umfragen bei etwa 31 % gesehen.
Mit dem Einzug der NPD oder einer anderen Kleinstpartei ist wohl nicht zu rechnen. Hingegen werden für die Grünen, die hier im Lande nur rund 500 Mitglieder haben (zum Vergleich: die FDP hat 1900) und bis dato nicht im Parlament sitzen, bis zu 8 % prognostiziert. Zu verdanken haben sie dies vor allem dem Bundestrend, der sie zu einem "planlosen Höhenflug" geführt hat.

Dieser kurze Überblick über die politische Gemengelage in Sachsen-Anhalt, die sich doch stark von der in Westdeutschland unterscheidet, mag vorerst genügen. Grundsätzlich sind bei realistischer Betrachtung zwei Koalitionen denkbar. Erstens eine Fortsetzung der Großen Koalition unter einem neuen Ministerpräsidenten Haseloff. (Gott sei dank tritt der alte und führungsschwache Wolfgang Böhmer endlich ab. Dessen Auftritte erinnerten zunehmend an Honecker und das greise Politbüro.)
Zweite Option wäre eine rot-rote Koalition. Diese Option scheint jedoch wegen Befindlichkeiten in der SPD etwas weniger wahrscheinlich, auch wenn SPD-Chef Jens Bullerjahn kürzlich demonstrativ damit kokettiert hat. Jüngste Umfragen sehen Linke und SPD gleichauf; damit könnte die rot-rote Variante wahrscheinlicher werden.
Eine klassische Koalition aus SPD und Grünen ist rechnerisch nahezu ausgeschlossen, ebenso eine aus CDU und FDP.

Beide Varianten sind meines Erachtens eine mittlere Katastrophe. Eine Neuauflage der Großen Koalition brächte uns immer näher an österreichische Verhältnisse. Der Parteienfilz wirkt sich auch innerhalb der Exekutive aus und führt dort letztlich zur Verantwortungslosigkeit. Ferner werden Entscheidungen, die nur in einem kleinen Kreis getroffen worden sind, gegen berechtigte Einwände und ohne Rücksicht auf Verluste durchgepeitscht (Stichwort: Gebietsreform). Der damit einhergehende Politikstil, für den insbesondere Hövelmann steht, ist diktatorisch zu nennen.
Doch egal, wie die Wahl ausgeht, wahrscheinlich fällt das Innenministerium erneut an die SPD.

Die Aussichten sind also trübe, sowohl hinsichtlich des Waffenrechts als auch der sonstigen Probleme. Ich selbst werde wieder die FDP wählen, obwohl sie vermutlich auch für die nächsten Jahre von der Macht ausgeschlossen bleiben wird. Die Gründe dafür liegen nicht nur in den waffenrechtlichen Positionen der Liberalen, sondern auch in ihrer gesamten bisherigen Arbeit im Landtag. Der Fraktionschef und Spitzenkandidat Veit Wolpert hat es verstanden, liberale Politik für Sachsen-Anhalt zu betreiben. D.h. er kümmert sich um die spezifischen Probleme im Land und übernimmt nicht blind Positionen der Bundespartei oder anderer Landesverbände. Des weiteren steht er wie kaum ein anderer Landespolitiker für Transparenz im Umgang mit Steuergeldern. Das werde ich honorieren.

In der Haut einiger Schützenkollegen möchte ich dieser Tage nicht stecken. Wen soll man wählen, wenn man in Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik links "tickt", damit aber für erklärte Waffengegner wie Hövelmann stimmen müßte? Einige Gespräche, die ich in der vergangenen Woche hatte, zeigen dieses Dilemma ganz deutlich.


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