Dienstag, 19. April 2011

Deutsche Desinformationen II


„Einen guten Journalisten erkennt man daran, daß er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; daß er überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört.“ (Hanns Joachim Friedrichs)
Der andauernde Krieg in Libyen, dessen Ende wegen der begrenzten Macht der beiden Seiten nicht abzusehen ist, beschäftigt nach wie vor die deutschen Medien. Und ihre Fehlleistungen nötigen mich erneut zu einem allgemeinpolitischen Beitrag.
Am Wochenende wurde über den Einsatz von Streumunition berichtet:
"[...]

Bei den Gefechten um die Hafenstadt Misrata schreckten Gaddafis Truppen nach Angaben der Rebellen und von Menschenrechtlern auch nicht vor dem Einsatz international geächteter Streubomben zurück.

[...]"
Nun muß man solche Streumunition nicht gut finden, doch es ist eine maßlose Übertreibung (und insofern: eine Fast-Lüge) zu behaupten, diese Munition sei international "geächtet". Ein paar "NGOs" hätten das zwar gern, doch die völkerrechtliche Lage sieht anders aus.

Im Jahre 2008 wurde zwar ein multilaterales Übereinkommen über Streumunition ausgehandelt, das ein weitgehendes Verbot für deren Verwendung vorsieht. Bis dato sind diesem völkerrechtlichen Vertrag jedoch erst 55 Staaten beigetreten. Das ist eine kleine Minderheit, wenn man bedenkt, daß es derzeit auf der Welt etwa 200 Staaten und andere Völkerrechtssubjekte gibt, von denen 192 den Vereinten Nationen angehören. Nicht einmal sämtliche Mitglieder von NATO und EU haben haben das Übereinkommen ratifiziert, ebensowenig Libyen.

Deshalb ist mir schleierhaft, wie deutsche Journalisten von einer internationalen Ächtung reden können. Offenbar kommt es nur darauf an, Stimmung gegen Gaddafi zu machen, der nach wie vor fest im Sattel zu sitzen scheint.

Nächstes Thema: Ungarn. Im Herbst 2010 ereiferten sich internationale Medien über das neue Mediengesetz des Landes, welches angeblich zur Zensur der Presse führe. Die Ironie der geschichte bestand darin, daß die ungarische Regierung erst im Januar 2011 eine englischsprachige Übersetzung des Gesetzestextes publiziert hat. D.h. die Damen und Herren Journalisten zerrissen wochenlang ein Gesetz, dessen Inhalt sie mangels Sprachkenntnissen gar nicht kennen konnten.
Dieses Beispiel verdeutlicht, in welch eklatanter Weise viele Berufsschreiberlinge ihre Pflicht zur sauberen Recherche verletzen. Wenn es noch eines Beispieles für den Bedarf einer strengeren Überwachung der Presse bedurft hätte, dann hat ihn die "Berichterstattung" über das ungarische Mediengesetz geliefert. Die Klagegeister fürchten wohl vor allem, daß die Lügen, die sie verfassen, nicht mehr folgenlos bleiben werden.

Ähnliches wiederholt sich jetzt, wo eine neue Verfassung vom Parlament, in dem die Partei Fidesz eine Zweidrittelmehrheit hat, verabschiedet worden ist. Wie immer, so protestieren einige linke Kräfte dagegen, einigdeutsche Kommentatoren sprechen gar von einem Angriff auf die "Werte Europas" und ähnlichem. Wenn, dann ist es vor allem ein Angriff auf die Werte der Linken, die dem Mißverständnis erliegen, sie hätten die alleinige Deutungshoheit der Geschichte und des Rechts.

Erfreulicherweise stehen jetzt schon Übersetzungen der Präambel und des eigentlichen Verfassungstextes zur Verfügung, so daß wir auch einen Blick in den Text der neuen Verfassung werfen können. Er ist natürlich sehr prägnant, aber die behauptete Verletzung europäischer "Grundwerte" vermag ich darin nicht zu erkennen. In der Präambel wird z.B. die Bedeutung des Christentums betont - eine in der Sache ähnliche Formulierung findet sich in der Präambel des deutschen Grundgesetzes. In einigen EU-Mitgliedsstaaten gibt es sogar Staatskirchen (England, Dänemark u.a.), ohne daß dies vergleichbare Proteste hervorrufen würde. Ein weiterer Kritikpunkt ist der Schutz der Ehe zwischen Mann und Frau sowie der Familie (Art. M). Dies entspricht freilich weitgehend Artikel 6 Abs. 1 des deutschen Grundgesetzes.

Wozu also die ganze Aufregung? Wieder einmal zeigt sich, daß die deutschen Kritiker ausländischer Regierungen gut daran täten, zunächst die Rechtslage in Deutschland und anderen EU-Staaten zu studieren, bevor sie über die angeblich schlimmen Pläne dieser Regierungen urteilen. Häufig liegen die kritisierten Rechtsnormen im Spektrum dessen, was innerhalb der EU üblich ist. Doch dies ist wohl zuviel verlangt, stattdessen geifert man über die Viktor Orban und wirft ihm diktatorische Allüren vor. Erstaunlicherweise treffen solche Kampagnen immer nicht-linke Politiker. Erinnert sei nur an Jörg Haider in Österreich, Silvio Berlusconi in Italien, Wladimir Putin in Rußland oder Ariel Sharon in Israel. Hingegen wurde z.B. Barrack Obama auch von der deutschen Presse zu einer Messiasgestalt hochgejubelt. Das gibt zu denken - wie war das doch gleich mit der Ausgewogenheit der Berichterstattung?


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Foto: AFP.
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